Paula Foukal
Lesezimmer


Erinnerungen an einen Spätsommertag
August im Weingarten. Die kleinen, grünen Kügelchen, ließen die Weintrauben erahnen.
Nun sind sie rund und prall.
Eine ertragreiche Lese steht bevor.
Jetzt, in der Reifezeit, zählt jede Sonnenstunde, um Farbe an und Süße in die Beeren zu zaubern.
Das Chlorophyll der Blätter hat seine Aufgabe erfüllt.
Das Weinlaub wird reduziert, indem man die langen Triebe kürzt.
Keine schwere Arbeit.
Mit guter Laune, geschliffenen Scheren und dem Vorsatz, heute fertig zu werden,
helfen alle zusammen.
Alle, auch das etwa 6 jährige Kind.
Mit Freude, denn es wird geredet, gesungen und gelacht.

Mit den Armen fest umschlungen, trägt es Bündel des Grünschnittes, zu der Mulde am Hang, die als Lagerstätte dient.
Eilt voll Eifer in die Reihen zurück, holt neues Grün. Immer und immer wieder.
Langsamer ist es geworden, ohne es zuerst selbst zu merken. Müdigkeit?
Niemals würde es jammern.
Komm, hört es – du kannst ausruhen. Mit Schwung landet ein Tuch auf dem zu einem Berg angewachsenen Weinlaub.
Dankbar sinkt es ein in das weiche, duftende Grün. Empfindet Geborgenheit.
Die Stimmen der Arbeitenden verschwimmen im Hintergrund.
Die Luft flimmert. Zwitschern, Summen, Zirpen, Brummen dringen in das Bewusstsein.
Plötzlich fesselt ein seine Kreise ziehendes Bussard Paar die Aufmerksamkeit.
Es erkundet sein Revier, um dann über den mit Föhren bestandenen Berg zu entschwinden.

Im Blau des Sommerhimmels schwimmen weiße Wolken. Bauschen sich auf zu kleinen und großen Türmen. Lösen sich auf.
Wolken?
Ein Hund mit langen Ohren schwebt da oben.
Nein – es ist ein Kamel mit zwei Hökern.
Und dort ein Schwan............
Die Augen des Kindes werden schwer.
Schließen sich, öffnen sich.
Träumt es schon?



Brasilien
(Ausschnitt)


Mit einem leichtgewichtigen Koffer und einem dazugehörigen Bordcase. Beides in Kunststoffausführung. trete ich meine erste große Flugreise an.
Wien Schwechat. Ausreise-Kontrolle.
Aufgeregt und voll Anspannung stehe ich in einer Reihe von gleichgesinnten Menschen. Mit dem Flug LH 255 wollen wir abheben.
Die Prozedere völlig unbekannt. Mein Handgepäck noch abgesperrt, ruft beim Beamten Verärgerung hervor. Endlich ist der Griff in meine Sachen frei. Eine kleine Puppe mit einem Schirmchen, das mit einer großen Hutnadel mit Perle befestigt ist, vervollständigt sein Ungemach, weil er sich sticht.
Im Gegensatz zu vielen Reisenden mag ich den Start.
Dass in den Sitz hinein gedrückt werden, bis die Flughöhe erreicht ist.
Der Flug nach Frankfurt ist kurz. Über zwei Menschen hinweg erhasche ich einen Blick durchs Fenster weißer, flauschiger Wolkenteppich verwehrt den Blick auf die Erde.
Paris ist mein nächstes Ziel. Dort komme ich wirklich klaglos an.
Der riesige Flughafen stellt eine Herausforderung dar.
Ich merke wie ungeübt ich darin bin die Leitsysteme zu durchschauen.
Wie komme ich zum Abflugbereich nach Übersee? Fragen – ich bin schon ein Fragezeichen.
Irgendwann frage ich sogar den Richtigen. Den Bus-Chauffeur, der nach Orly-Süd fährt.
Von dort erfolgt mein Flug mit Aerolinas Argentinas über Madrid nach Rio de Janeiro.
Der Koffer ist nun wieder eingecheckt.
Die Kontrolle des Gepäcks - viel eleganter als in Wien. In einer Art Kabine, legt man hier das Bord-Case ab.
Ein Vorhang schützt mich und den Inhalt vor den Blicken Neugieriger.
Der äußerst charmante Franzose, gibt mir zu verstehen, dass ich mein
Gepäck nicht öffnen müsste……………



Reisende in Brasilien

Als Reisende bin ich gekommen, nicht als Tourist.
Mich interessiert JEDER und ALLES.
Ich bin hier Gast und werde als solcher empfangen.
Ich komme mit offenem Herzen und werde mit offenen Armen aufgenommen.
Ich zolle Respekt und werde respektiert,
meine Grenzen überschreite ich nur dort, wo dies willkommen ist.
Darf ich mich als eine der Euren fühlen, bin ich glücklich.
Ich folge ganz einfach der Melodie meines Herzens.
Sie klingt oft ganz unterschiedlich. Gegensätzlich sogar.
So, wie dieses Land ein Land der Gegensätze ist.
Das Leben pulsiert. In der Stadt und am Land, in mir.
Mitreißend. Sich diesem Rhythmus hinzugeben ist die einzige Option,
um in diesem Land zu überleben, dieses Land zu lieben.
Ich kehre in meine Welt zurück. Dankbar für jedes Erlebnis
Mit der Gewissheit:
„Ich komme wieder“ Sehnsucht nennt man diese Sucht.



Hoch in dem gelben Wagen
(Ausschnitt)


Eine Reise von Rio de Janeiro nach Sao Paulo
Am Busbahnhof.
Die Menschenschlange (Fila) am Busbahnsteig der Rodoviaria bewegt sich.
Langsam, aber stetig vorwärts. Alle haben das gleiche Ziel.
Ich mittendrin.
Groß, gelb, auf Hochglanz poliert, steht er da - ein riesiger Reisebus.
Nicht irgendeiner. Ein Itapemirim.
Man steigt nicht einfach ein. Man bekommt Einlass gewährt.
Falls am Ticket alle Reisedaten eingetragen sind und das Reisedokument mit diesen übereinstimmt.
Ich bin an der Reihe.
Mit einer Freundlichkeit, die den Brasilianern angeboren zu sein scheint,
werde ich begrüßt.
Der Busbegleiter strahlt Herzlichkeit aus. Seine Fragen: como vai voce? tudo bem?
Wie geht es Ihnen? Alles gut? wirken nicht aufgesetzt.
Beim Blick in meinen Reisepass, wird er noch eine Spur freundlicher,
ahmt das Spiel einer Geige nach. Er hat von Wien zumindest schon gehört.
Bei Rückgabe der Dokumente bekomme ich so wie jeder Gast - der man nun für 6 Stunden sein wird - ein kleines Paket überreicht.
Angelangt. Ich bin ins Innere vorgedrungen. Leises Stimmengewirr und kühle Luft umhüllen mich. Vorbei am Piloten - pardon Chauffeur - eile ich zu meinem Fensterplatz.
Ah - geschafft.
Endlich sinke ich auf den bequemen, verstellbaren Sitz. Ich genieße diesen Augenblick.
Jede Anspannung ist verflogen. Nichts spricht mehr gegen die Erkundung meines Reisepaketes.
Ich öffne neugierig den Zipp. Die Luft entweicht. Der Inhalt kann sich sehen lassen.
Wie aus einer Wundertüte ziehe ich
1 kleinen Kopfpolster, 1 Schlafbrille, 1 Decke (wozu?), 1 Getränk, 1 Snack und etwas für Naschkatzen.
Der Bus wird abgefertigt.
Mit lautem Zischen schließt sich die Tür.
Gute Reise!



Nach dem großen Hagel

Die Hofmauer starrt mich traurig an. Sie wirkt irgendwie angeschlagen.
Wo sind mein Grün, meine Blüten, mein Leben?
Scheint sie zu fragen.
Seiner Blätter beraubt, streckt mir der Veitschi kahle Stängel entgegen.
Mit seinen alten, dicken Ranken hält er sich, schwer verletzt, an den Ziegeln fest.
Wirkt wie ein abstraktes Gebilde. Be- nein getroffen sind sie ALLE.
Die Staudenwicke erschlagen. Auf den Boden gedrückt, der weißen Blüten beraubt.
Der hohe Lavendel ein Gerippe - zum Trotz hat er auf diesem ein paar Blüten behalten.
Die Rosensträucher ohne Blütenköpfe. Auf Stacheln reduziert - die Stachelbeeren.
Zu grünem Brei zerstampft - die großen Blätter der Hosta.
In ihrem Inneren machten sich schon die Blütenstände bereit.
Der Putz der Mauer, liegt auf dem Boden.
Vereint mit seinen Blättern, Blütenköpfen und Früchten.
Das Leben bedeckt mit einer dicken Schicht aus Eis.



Maskenball?
Nein – Maskenfall


Dunkelgrau. Das Wetter, die Straße. Nur die Schienen der Straßenbahn glänzen.
4 Stränge aus Stahl, dazwischen Asphalt. Die Ampel schaltet auf grün.
Grün, das verspricht: " Ein gefahrloses Überqueren der Fahrbahn ist möglich".
Vorsichtig setzt sie an, um auf die Straße zu steigen. Ein Gefühl, etwas übervorsichtig zu sein, breitet sich in ihr aus.
Doch noch vor 20 Minuten lag sie in einer Röhre und die Sicht ist durch die vorstehende Maske sehr eingeschränkt. Eine Ausrede?
Ein Schritt, folgt dem anderen. Jetzt noch die Schienen.
Wie ein Blitz, schießt es in ihr Bewusstsein sie spürt es - jetzt... doch im gleichen Augenblick liegt sie schon am Boden.
Den ersten Gedanken, hier einfach liegen zu bleiben verwirft sie, als Verkehrsgeräusche wahrzunehmen sind.
Die Ampel die sie zwar nicht sieht, ist in der Zwischenzeit rot geworden.
Besorgte Frauenstimmen und eine Männerstimme holen sie aus dem unwirklichen Zustand.
Hilfsbereitschaft hüllt sie ein. Sie sammelt alle Energie und schafft es ihre Schwäche zu überwinden. Plötzlich wieder Boden unter den Füssen.
Noch benommen: "Danke, danke, es ist alles in Ordnung - in alle Richtungen - ohne die Personen wirklich wahr zu nehmen.
Ein paar Schritte und der Gehsteig ist erreicht. Wie ein rettendes Ufer kommt er ihr vor.
Schnell die Maske wieder in die richtige Position rücken.
Die Schmerzen stellen sich erst etwas später ein, gemildert von der Erkenntnis, dass die Menschlichkeit sogar über die Angst vor Ansteckung siegt.





zurück